Stromtankstellen
Es geht voran. In Deutschland stehen die ersten Ladestationen für Akkumulatortriebzüge. Zwei davon, welche eine Fahrleitungsspannung mit einer zu der in Deutschland allgemein üblichen abweichenden Frequenz von 50 Hz bereitstellen, laufen im Testbetrieb und haben ihre Eignung bestanden. Die Industrie für ortsfeste Bahnenergieversorgungsanlagen hat gezeigt, dass sie ohne Betreibervorgaben in der Lage ist, kompakte Lösungen zu entwickeln, zu liefern und in Betrieb zu nehmen. Es sind pragmatische Ansätze. Die eb hat in den letzten Jahren darüber regelmäßig berichtet.
Die Fahrzeugindustrie hat erkannt, dass die Lösungen interessant sind und begonnen, ihre Fahrzeugbaureihen für eben diese Ladeinfrastruktur zu modifizieren. Es funktioniert, sowohl die Technik als auch die Kooperation zwischen unterschiedlichen Herstellern.
Bei den Tests gab es mitunter kleine Überaschungen im Zusammenwirken zwischen Infrastruktur und Fahrzeug, aber diese sind beherrschbar und lösbar. AC 15 kV 50 Hz sind keine Unmöglichkeit. Und die Lösungen lassen sich auch auf AC 25 kV 50 Hz übertragen, wenn die Fahrzeugbaureihen das ermöglichen.
In wenigen Wochen werden die ersten Ladestationen für die übliche Fahrleitungsspannung AC 15 kV 16,7 Hz in Betrieb genommen. Das besondere zu „großen“ Unterwerken ist hierbei lediglich, dass das zu speisende Netz relativ klein ist und deshalb andere elektrotechnische Eigenschaften aufweist wie ein großes Fahrleitungsnetz. Aber auch das scheint mit den Erfahrungen lös- und beherrschbar. Und schlussendlich war die Entwicklungs- und Bauzeit für diese Lösungen insgesamt überschaubar, gerade wenn man bedenkt, dass die letzten Jahre problematisch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Komponenten und unzuverlässiger Liefertermine waren.
Demnächst werden auch die ersten Ladestation für AC 25 kV 50 Hz in Deutschland errichtet, weil es im konkreten Fall zweckmäßig ist.
An der Technik sollte es also nicht liegen. Die Industrie hat mit ihren eigenen Lösungen Wert darauf gelegt, dass die Anlagen kompakt ausfallen, schnell zu errichten sind und die Investitionen im Rahmen bleiben. Denn Akkumulatorzüge können nur verkehren, wenn dafür auch die nötigen Infrastrukturen rechtzeitig zur Verfügung stehen und deren Kosten in einem Rahmen bleiben, die einen wirtschaftlichen Betrieb des Gesamtsystems ermöglichen.
Am Ende stehen die Fragen nach der Bezahlung der Infrastuktur selbst und den Energiekosten. In Deutschland ist das offensichtlich nicht ganz klar. Es kommt nämlich darauf an, in welchem Zustand ein Akkumulatortriebfahrzeug Energie aufnimmt. Steht es nicht, sondern fährt es, nimmt das Fahrzeug Energie während der Fahrt auf. Manche bezeichnen das als „Fahrstrom“. Wenn das Fahrzeug aber steht, dann fährt es nicht. Folglich bekäme es zum Laden keinen „Fahrstrom“. Es steht vielmehr an einer „Stromtankstelle“. Auf einmal darf die Fahrleitung nicht mehr so heißen, obwohl sie identisch aufgebaut ist, und die Energie weiterhin über den Kontakt Stromabnehmer/Fahrdraht übertragen wird. Mit den Ladeunterwerken der „Stromtankstellen“ kann man auch fahren, das geht und ist bewiesen, auch mit 50 Hz bei Fahrzeugen, die eigentlich für 16,7 Hz gebaut sind. Aber der kleine Unterschied der Geschwindigkeit beim Laden soll auf einmal auch den Energiepreis ändern und entscheiden, wer für eine Ladestation wie zu zahlen hat.
Diese eigenartige Regel wird der Technik kaum zum Durchbruch verhelfen, weil sie die preiswertere Lösung benachteiligt. Wenn die Energie teurer sein sollte, nur weil sie an einer „Tankstelle“ bezogen wird, werden derartige Ladeunterwerke kaum genutzt werden, sondern nur im Notfall. Das hat zur Folge, dass die Energie dort noch teurer werden müsste, um die Investitionen zu amortisieren.
Eine Lösung kann nur darin bestehen, dass Ladestationen grundsätzlich Bestandteil der Bahninfrastruktur sind, die Kosten für die Errichtung und den Betrieb umgelegt werden und die Energiekosten überall gleich sind. Nur dann werden die Anlagen optimal genutzt und können den Akkumulatortriebzügen allgemein zum Durchbruch verhelfen. Wenn man gezwungen wird, Anlagen nur deshalb so zu bauen, damit die Fahrzeuge im Fahren günstige Energie laden können, dann dient das sicher dem Energiepreis, nicht aber dem Gesamtsystem. Denn die Aufwendungen für das Laden im Fahren sind ungleich höher.
Es wäre wünschenswert, wenn in dieser Fragestellung zeitnah Klarheit geschaffen wird. Das könnte die Einführung von Akkumulatortriebfahrzeugen witer beschleunigen. Die Industrie hat gezeigt, dass sie liefern kann, sowohl die Fahrzeuge als auch die dafür notwendige Ladeinfrastruktur.
Andere Länder kennen diese Fragestellung nicht.
Dr. Steffen Röhlig
Chefredakteur