Erfolg muss man organisieren
er Inhalt der Überschrift stammt von einem Freund, der damit zum Ausdruck bringen möchte, dass nichts von selbst gelingt. Wenden wir diesen Spruch, den manche als Binsenweisheit bezeichnen mögen, doch einmal auf unsere größte aktuelle Aufgabe im Sektor an: die Verkehrswende.
Dass sie schnellstmöglich gelingen muss, um bereits vor dem tatsächlichen Verknappen fossiler Brennstoffe deren Nutzung stark zu reduzieren, bestreiten nur wenige. Die Dimension dieser Aufgabe wird allerdings eher unter- als überschätzt. Wir haben zu wenige Ressourcen, und zwar nicht nur Zeit und Geld, sondern auch Menschen und Material für die Umsetzung.
An dieser Stelle der Betrachtung verlieren wir leider einen Teil der Gesellschaft nach rechts „Alles Lüge! Früher ging es doch auch, mit Verbrennern und ohne Migranten“, einen anderen nach links „Mein Beitrag ist der Protest! Und man muss doch nur die da oben zur Kasse bitten“, und einen weiteren in die Resignation „So schlimm wird’s schon nicht kommen“.
Für all diejenigen, die nicht nur den Dreisatz gelernt haben (das geht auch auf dem letzten PISA-Platz …), sondern auch willens sind, ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen, sei folgende Kausalkette aufgestellt:
Es braucht weder komplexe Prognosemodelle noch höhere Mathematik, um zu errechnen, dass die Substitution von Kraftstoffen durch elektrische Energie einen gigantischen Zubau an Erzeugungs- und Verteilkapazitäten erfordert. Alleine der Langstrecken-Güterverkehr auf dem deutschen Autobahn-Kernnetz, rund 4 000 km, benötigt rund das Fünffache des Energiebedarfs der DB Energie, freilich unabhängig von der Systementscheidung zu Oberleitung, „Megacharger“ oder „Batteriewechselkonzepte“. Wenn wir nicht an Wunder glauben, zum Beispiel im Sinne einer beherrschbaren Kernfusion, werden uns die Mittel fehlen, dies umzusetzen, und zwar nicht vorrangig finanzielle. Geld kann man leihen, böse Zungen sagen „drucken“. Also müssen wir erstens Verkehr nennenswert reduzieren. Die Restmenge wird weiterhin sehr groß sein und muss folglich effizienter als heute bewältigt werden, mit dem Einsatz von weniger Energie und Menschen. Für diese Verlagerung hat das Eisenbahnsystem unbestritten das größte Potenzial; allerdings nur bei gleichzeitigem Ziehen aller Register. Zum Zweiten sind es Digitalisierung, Ausbau UND Zubau von Bahninfrastruktur.
Im Klartext: Neue Strecken braucht das Land, und mehr Elektrifizierung. So schnell wie irgend möglich. Auch gegen individuelle Befindlichkeiten. Festhalten am Status Quo ist keine Alternative für Deutschland.
Schließlich bleibt nach diesem Schritt immer noch eine Menge Transportleistung übrig: Auf der Straße, dem Wasser und in der Luft, wofür weiterhin innovative, effiziente Lösungen gefunden werden müssen. Die Verkehrswende ist keine Frage nach dem entweder-oder, sondern bedingt ein sowohl-als auch.
Haben wir den Mut, an allen Schrauben gleichzeitig zu drehen, und klar auszusprechen: Es wird nicht ganz schmerzfrei gehen, aber es liegt an uns, die Aufwände und Beeinträchtigungen durch kluges Handeln zu minimieren.
Dr. Carsten Söffker
Vorsitzender VDE/ETG, Fachbereich A2 „Bahnen mit elektrischen Antrieben“ Beiratsmitglied