Bauvorhaben in der Metropolregion Berlin/Brandenburg (eb 5 | 2019)

hartmut freysteinDer zentrale Bereich Berlin ist fertiggestellt, die S-Bahn ist nach der Teilung weitgehend wieder in Betrieb genommen – damit sind doch die Baumaßnahmen abgeschlossen: Das ist vielerorts die Meinung über den Zustand der Bahninfrastruktur im Großraum Berlin. Dem ist mitnichten so. Nahezu 50 % der S-Bahninfrastruktur in Berlin/Brandenburg bieten noch den bemitleidenswerten Anblick vom Zustand kurz vor beziehungsweise nach dem 2. Weltkrieg. Wichtige teilungsbedingt ausstehende Lückenschlüsse harren aufgrund der mitunter divergierenden Standpunkte zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg zum Nahverkehrsangebot noch der Realisierung.

Hinzu kommt die Zunahme der Bevölkerung im Großraum Berlin – die Prognosen gehen von einem Anstieg der Bevölkerung allein in Berlin von unter 3,5 Mio. auf rund 4 Mio. Einwohner bis 2030 aus. Hinzu kommt der ungebrochene Trend der Bevölkerung zum Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr. Im Bewusstsein des Klimawandels wird sich dieser Trend wohl eher noch verstärken – und hiermit sind wir auch bei den elektrischen Bahnen, dem Verkehrsmittel Nummer 1 mit Blick auf CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit. Die Länder Berlin und Brandenburg haben daher mit dem VBB und DB Netze ein ehrgeiziges Nahverkehrsausbauprogramm i2030 vereinbart, das neben den erwähnten Lückenschlüssen auch den Ausbau von Regional- und S-Bahntrassen zum Inhalt hat. Vorsichtige Schätzungen gehen von einem Investitionsvolumen von über 2 Mrd. EUR aus, und davon wird auch einiges bei den Ingenieurbüros, der Bahnindustrie und Firmen im Bereich der Bahnenergieversorgung hängen bleiben.

Was bedeutet das für die Branche? Zum einen steht ab 2020 eine neue beschleunigungsstarke Zuggeneration für die S-Bahn bereit, die einen erheblichen Nachrüstungs- und Verdichtungsbedarf bei der auch mittlerweile in die Jahre gekommenen Bahnenergieversorgung der S-Bahn erfordert. Die entsprechenden Neubauten von Unterwerken stehen nicht nur abseits sozusagen im Niemandsland, sondern hier und dort auch an prominenter Stelle und bedingen daher mitunter zeitaufwändige Plangenehmigungsverfahren. Zudem sind einige S-Bahnbauvorhaben wie beispielsweise die Verlängerung von Blankenfelde nach Rangsdorf, die Revitalisierung der Potsdamer Stammbahn, die Verlängerung Teltow – Stahnsdorf, der Ausbau des Korridors Berlin – Spandau – Nauen, der Ausbau S 25 Schönholz Richtung Velten und der Wiederaufbau und die Verlängerung der Siemensbahn nach Spandau sowie Engpassbeseitigungen vorgesehen.

Die angesprochenen Maßnahmenpakete bedingen neben einem gemeinsam getragenen verkehrlichen Ansatz auch einen langen politischen Atem bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin und Brandenburg und natürlich Finanzmittel. Ausbaumaßnahmen benötigen umfangreiche Planungen und Genehmigungsverfahren, hier ist dann neben DB Netz und DB Energie und den beauftragten Ingenieurbüros auch das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde gefragt. Das Eisenbahn-Bundesamt wird bei diesen Verfahren künftig neben der Planfeststellung auch als Anhörungsbehörde gefordert sein. Die Projekte müssen natürlich auch realisiert und in Betrieb genommen werden.

Zu diesen verstärkten Anstrengungen kommt zudem ein Generationswechsel im Ingenieurs- und Fachpersonal hinzu. Die Unternehmen, auch die Verwaltungen, plagen schon jetzt erhebliche Nachwuchssorgen. Wir gehen daher schon in die Schulen, um junge Menschen für die innovative, umweltfreundliche und hochinteressante Bahnbranche zu begeistern. Während also auf der einen Seite händeringend eine große Zahl von Nachwuchsingenieurinnen und -ingenieuren gesucht wird, halten die Bemühungen der politischen Entscheidungsträger für die Ausstattung der Hochschulen in Berlin und Brandenburg auf diesem Sektor leider immer noch nicht Schritt. Es bleibt also noch viel zu tun …

Dr.-Ing. Hartmut Freystein
Leiter der Außenstelle Berlin des Eisenbahn-Bundesamtes