Technikbegeistert – Technik begeistert! (eb 1| 2019)

beat furrerVor vielen Jahren durfte ich mit meinem Vater unsere Baustellen besuchen und Kundenkontakten beiwohnen. Das dabei erlebte hat mich später geprägt. Da waren auf einer Großbaustelle in unserem Barackendorf zwei Küchen: eine für unsere Mitarbeiter aus Süditalien, die andere für unsere Mitarbeiter aus dem Norden Italiens. Und heute versuchen wir über die Europäische Union in einem noch erheblich größeren Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle alles über einen Leisten zu schlagen!?

Ein Montage-Team umfasste rund ein Dutzend Monteure.  Die Hilfsmittel waren bescheiden; Masten besteigen war an der Tagesordnung. Die Arbeitsmittel haben inzwischen einen gewaltigen Schritt gemacht. Die Arbeitssicherheit und die Effizienz sind erheblich verbessert worden. Die Montage-Teams sind noch halb so groß und leisten die gleiche Arbeit, wenn nicht mehr. Wie in der eb 11-12/2018 zu lesen war, sind große Montagegeräte mit Elektroantrieb auf dem Markt. Umweltschutz und Gesundheitsschutz gehen schon bei der Errichtung der Bahntechnik Hand in Hand.

Damals waren die Kundenbeziehungen partnerschaftlich, ganz nach dem Motto „leben und leben lassen“. Die drei Jahre dauernde Baustelle wurde zwischen meinem Vater und dem damaligen Bahndirektor auf einer einzigen Seite besiegelt. Selbstverständlich waren im Angebot auch die im Vorfeld mit dem Kunden verabredeten technischen und kommerziellen Bedingungen festgeschrieben. Weder sind wir reich, noch der Kunde arm geworden. Die erstellten Anlagen sind jetzt seit vierzig Jahren in Betrieb und immer noch tauglich.

Woher kommt bloß das Misstrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer? Sind es der Wunsch nach Kostensenkung beim Auftraggeber und das Ziel der Gewinnmaximierung beim Auftragnehmer? Die heutigen Ausschreibungen enthalten mehr administrative Fragen als technische Dokumente. Wer lange genug im Geschäft ist, erkennt sogar, welches Ingenieurbüro vom anderen Planer Ausschreibungstexte kopiert hat, vor allem dann, wenn inhaltlich gar kein Zusammenhang mit dem ausgeschriebenen Projekt besteht. Akribisches Claim-Management ist der nächste Schritt! Einzige Gewinner sind die Anwälte und Verlierer sind letztlich die Bahnkunden. Ist es nur ein Wunschgedanke, dass Auftraggeber und Auftragnehmer wieder als Team in einer partnerschaftlichen Herangehensweise auf das gemeinsame Ziel – die Züge müssen fahren – hinarbeiten? Damit würden alle Parteien zu Gewinnern, letztlich auch die Bahnkunden. Mit Vertrauen und Zusammenarbeit könnte wieder die Problemlösung im Vordergrund stehen.

Voraussetzung dafür sind die Fachkenntnisse. Das eingangs erwähnte und partnerschaftlich abgewickelte Projekt und andere Vorhaben haben dazu beigetragen, dass sich über die Jahre ein Stamm von jungen Mitarbeitern zu erfahrenen Bauleitern entwickelte, die heute noch bei uns oder wenigstens für die Bahn tätig sind. Dieselben Fachleute werden heute oft in eine Administratorenrolle gedrängt. Sie füllen Organigramme aus, weisen Zertifikate nach, beantworten listenweise Fragen oder kreuzen Antworten an. Ist das die Arbeit von technisch qualifizierten Mitarbeitern, welche schon beim ersten Durchlesen der Ausschreibung erkennen, was fehlt, um die Anlage auch wirklich betriebsbereit fertig stellen zu können?

Möge es uns in der täglichen Arbeit und der Redaktion der eb durch hochstehende Beiträge weiterhin gelingen, junge und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Sie können als Fachkräfte mit vernünftigen Ausschreibungen, realistischen Angeboten, kompetenter Beratung und Bearbeitung zur gemeinsamen Projektbearbeitung und Problemlösung großen Nutzen bringen. Die Förderung des Ansehens der Bahntechnik bei den Jungen und die Unterstützung bei der Suche nach Mitarbeitern durch die eb sind eine willkommene Hilfe. Es gibt noch viel zu tun in der Bahntechnik.

Beat Furrer
Senior CEO Furrer+Frey AG