Digitalisierung und Energieversorgung (eb 9 | 2021)

Wenn über die Zukunft der Bahn gesprochen wird, fällt gegenwärtig häufig das Wort Digitalisierung. Abgesehen davon, dass bei Bahnen deren Hauptaufgabe immer noch darin besteht, Personen zu befördern und Güter zu transportieren, geht es bei diesem Begriff in erster Linie um die grundlegende Modernisierung und Digitalisierung der Infrastruktur: Durch den Flächen-Rollout des European Train Control System (ETCS), Digitaler Stellwerke (DSTW) und des integrierten Leit- und Bediensystems (iLBS) soll die Leit- und Sicherungstechnik bis 2035 grundlegend erneuert werden. In einer zweiten Stufe sollen Züge voll automatisiert und in kürzeren Abständen fahren, die in Echtzeit intelligent und automatisiert gesteuert werden, indem sie ihre Umgebung und ihre Position durch Sensorik erkennen.

Um dieses Ziel verwirklichen zu können, bedarf es neuer Technologien. Auf der Internetseite Digitale Schiene Deutschland werden dafür aufgeführt: Künstliche Intelligenz im Verkehrs- und Störfallmanagement, Fahrzeugautomatisierung, Digitale Leit- und Sicherungstechnik, Ortungssensorik und digitale Karte, Sensorik für Umfeldwahrnehmung, FRMCS/5G-Datenkommunikation, IT-Sicherheit und Cloud-Technologien.

Mit diesen Themen beschäftigen sich bereits mehrere Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Auf der Anfang September im Erzgebirge bei Annaberg-Buchholz auf dem Smart Rail Connectivity Campus (SRCC) und an den Bahnhöfen entlang des Digitalen Testfeldes Erzgebirgsbahn stattgefundenen Digital Rail Convention konnte man sich von ersten Entwicklungsergebnissen überzeugen.

Was bei all diesen Themen etwas in Vergessenheit zu geraten scheint, ist die klassische Energieversorgung. Dabei geht es nicht vordergründig um die Energieversorgung der neuen digitalen Komponenten entlang der Bahnstrecken, auch diese muss gelöst werden, sondern um diejenige für die Traktion. Abgesehen davon, dass als Folge der Digitalisierung die Strecken höher ausgelastet, das heißt die Zugfolgezeiten deutlich verkürzt werden und die dafür benötigte Energie bereitgestellt werden muss, gibt es eine Viezahl technischer Herausforderungen, die auch im Bahnenergieversorgungssystem zu lösen sind.

In dieser Ausgabe der eb – Elektrische Bahnen wird direkt ein solches Thema aufgegriffen. Durch die Einführung von ETCS wird es möglich, dass Triebfahrzeuge an beliebigen Standorten halten können, da es keine festen Signalstandorte mehr gibt. Bisher war durch die Abstimmung zwischen den Planern sicherungstechnicher Anlagen und der Bahnenergieversorgung es praktisch ausgeschlossen, dass Triebfahrzeuge dort halten können, wo es aufgrund der Ausführung der Oberleitung problematisch ist. Die Einführung der neuen Technologien erfordert hier ein Umdenken und neue Lösungen. Dieser Aspekt wurde bereits bei der Vollendung der großen Tunnelprojekte in der Schweiz thematisiert. Die eb hat dies dokumentiert. Das Thema wird für die Strecken interessant, die neu gebaut oder grundhaft saniert werden. Es zeigt, dass derartige Fragestellungen nur interdis-ziplinär sinnvoll lösbar sind und dass man bei der Einführung der neuen Technolgien für die Digitalisierung die konventionelle Technik nicht vergessen darf.

Erwähnenswert im Hinblick auf den Beitrag ist der Umstand, dass dieser in Kooperation zwischen dem Infrastrukturunternehmen DB Netz und der Technischen Universität Dresden entstanden ist. Es zeigt sich, dass junge Ingenieure nachrücken und zur Lösung derartiger komplexer Themen beitragen.

Apropos Konferenzen: Vor etwa einem Jahr bestand die Hoffnung, dass sich die durch COVID-19 bedingte Pause an Konferenzen dem Ende zuneigt. Diese Hoffnung war trügerisch, bis ins Frühjahr dieses Jahres konnten die Wissensvermittlung und das Networking, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nur online stattfinden. Jetzt nach dem Sommer und der erneuten Hoffnung auf eine Normalisierung des Lebens füllt sich der Veranstaltungskalender wieder, auch mit neuen Fachthemen. Ein Blick auf den Terminkalender am Ende dieser eb-Ausgabe lohnt sich.

Dr. Steffen Röhlig
Chefredakteur