Elektrifizierung in Deutschland – wie weiter? (eb 2-3 | 2019)

hoerster geraldFachleute aus aller Welt werden nicht nur auf der diesjährigen acrps-Konferenz in Leipzig intensiv über Innovationen bei der Bahnenergieversorgung und über die Zukunft der Elektrifizierung in Deutschland diskutieren. Das sind aktuelle Themen, die die Bahnindustrie und uns, die Aufsichts- und Zulassungsbehörde an der Schnittstelle zwischen Politik und Unternehmen, nicht nur während der zweitägigen Konferenz beschäftigen.

Wir können sehr gespannt sein, was in den kommenden Jahren aus den Entwicklungslabors der Energietechniker kommen wird, welche Erfolge in der Grundlagenforschung uns neue Wege in der Energieversorgung öffnen und wie sich die elektrischen Bahnen damit auseinandersetzen werden. Wünschenswert sind sicher Konzepte, die unser bestehendes System verbessern und neue Ideen zur nachhaltigen Traktion auf nicht elektrifizierten Strecken sowie zum integralen Fahr- und Energiemanagement hervorbringen. Welches Transportsystem wäre dafür besser vorbereitet als die Bahn? Mit Spurführung, Echtzeitsteuerung und Echtzeitüberwachung sowie mit vielen erfahrenen Fachleuten aus Technik und Ingenieurwesen verfügt das System über die besten Voraussetzungen.

Hierzulande gibt es eine neue Einrichtung, die für den Verkehrsträger Schiene unabhängige Forschung und Entwicklung betreiben wird. Vor wenigen Monaten ist die Entscheidung gefallen, beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung einzurichten. Es ist unser Ziel, mit allen involvierten Bereichen dafür zu sorgen, dass dieses Zentrum rasch seine Arbeit aufnehmen kann, um den Verkehrsträger Schiene voranzubringen.

Es herrscht zudem der politische Wille, der Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes auf die Sprünge zu helfen, um umwelt- und verkehrspolitischen Zielen näher zu kommen. Der Elektrifizierungsgrad soll von 59 % elektrifiziertem Streckenanteil auf 70 % erhöht werden. Das ist allerdings an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, welche die Beteiligten erfüllen müssen. Die Bahnindustrie muss beispielsweise die Kapazitäten dafür bereitstellen können, die nötigen Oberleitungsanlagen zu errichten. Die Deutsche Bahn AG muss trotz ihrer Pünktlichkeitsoffensive den Willen und die Ressourcen für die Entwicklung der Entwurfsplanungen zur Verfügung stellen. Die Auswirkungen auf den Personenverkehr werden in der Bauphase spürbar sein. Die DB Netz AG als Besteller der Anlagen muss zudem die erforderlichen Bauzeiten ermöglichen. All das hat natürlich auch Einfluss auf die Kosten. Nicht zuletzt leistet aber auch das Eisenbahn-Bundesamt seinen Beitrag, die Infrastrukturziele zu erreichen – etwa wenn es das nötige Baurecht für die Projekte schafft. Der Gesetzgeber hat Ende vergangenen Jahres mit der Veröffentlichung des Planungsbeschleunigungsgesetzes eine wichtige Grundlage dafür gelegt, dass die entsprechenden planrechtlichen Verfahren schneller als bisher abgewickelt werden können. Das neue Gesetz sieht vor, Planfeststellung und Anhörungsverfahren künftig in einer Hand beim Eisenbahn-Bundesamt zu vereinen. Das macht die Verfahren effektiver und zeiteffizient.

Der rechtliche Rahmen ist also gesteckt. Es gilt nun, ihn mit Leben und den nötigen Ressourcen zu füllen. Aber besonders wichtig ist, dass alle Beteiligten die anstehenden Aufgaben mit hoher Intensität angehen.

Gerald Hörster
Eisenbahn-Bundesamt
Präsident