Auszug | eb - Elektrische Bahnen 11-12 | 2023

• Schutz • System • Oberleitungen • Projekte • Betrieb • Bahnenergieversorgung ISSN 0013-5437 // B 2580 // Jahrgang 121 // www.eb-info.eu 11-12 2023 • Adieu Scherbius-Umformer • 5. ÖVG-Kongress Fahrstromanlagen • Hocheffizientes Antriebssystem auf begrenztem Raum für die Londoner Deep Tube Metro • Stahlsonderkonstruktionen bei Oberleitungsanlagen der ÖBB nach EN50119 • Nachspannvorrichtungen im Follo Line-Tunnel – Konstruktions- und Planungsfehler 100 Jahre Streustromschutz: Ein Rückblick über den Werdegang der SGK • Einiges über vagabundierende Ströme eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

Firmenverzeichnis Gemacht für dauerhafte Geschäftsbeziehungen. Das Firmenverzeichnis auf www.eb-info.eu und in eb – Elektrische Bahnen. Rail Power Systems GmbH Garmischer Str. 35 D-81373 München Telefon: +49 89 4199 9-0 Telefax: +49 89 4199 9-270 E-Mail: info@rail-ps.com www.rail-ps.com www.rps.jobs Furrer+Frey AG Ingenieurbüro, Fahrleitungsbau Thunstrasse 35, Postfach 182 CH-3000 Bern 6 Telefon: +41 31 357 61-11 Telefax: +41 31 357 61-00 www.furrerfrey.ch DEHN SE Hans-Dehn-Str. 1 D-92318 Neumarkt Telefon: +49 9181 90 6-0 Telefax: +49 9181 90 6-1100 E-Mail: railway.technology@dehn.de www.dehn.de Dipl.-Ing. H. Horstmann GmbH Humboldtstraße 2 D-42579 Heiligenhaus Telefon: +49 2056 976-0 Telefax: +49 2056 976-140 www.horstmanngmbh.com European Trans Energy Spezialist im Bereich Fahrleitungen Emil-Fucik-Gasse 1 A-1100 Wien Telefon: +43 1 934 66 87 0 Telefax: +43 1 934 66 87 51 09 E-Mail: contact@europten.com www.europten.com Rhomberg Fahrleitungsbau GmbH IZ-NÖ Süd, Straße 3, Objekt M1/II A-2351 Wiener Neudorf Telefon: +43 2236 90400-0 Telefax: +43 2236 90400 2017 E-Mail: office.rhofl@rsrg.com www.rhombergfahrleitung.at SIGNON Deutschland GmbH Ein Unternehmen der DB Netz AG Elisabeth-Schwarzhaupt-Platz 1, 10115 Berlin Telefon: +49 30 24 73 87 13 Telefax: +49 30 24 73 87 11 www.signon-group.com https://signon-group.com/karriere/ stellenboerse info@signon-group.com Widap AG Friesenstrasse 11 CH-3185 Schmitten Telefon: +41 26 497 50 60 Telefax: +41 26 497 50 69 E-Mail: info@widap.com www.widap.com Powerlines Group GmbH Johann Galler Straße 39 A-2120 Wolkersdorf im Weinviertel Telefon: +43 2245 21212-0 E-Mail: office@powerlines-group.com www.powerlines-group.com eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

397 Standpunkt 121 (2023) Heft 11-12 Wieso, weshalb, warum? D as diesjährige Rail.S/VDE-Symposium „Sicherheit & Zulassung elektrischer Bahnausrüstungen“ steht unter der Überschrift „Prozeduren oder Sachverstand – Wer macht das Rennen?“ Ich persönlich hoffe inständig, dass es sich bei dieser Frage nur um eine rhetorische Frage handelt. Denn Sachverstand lässt sich nur durch mehr Sachverstand ersetzen. Bedeutet das jedoch umgekehrt, dass man auf Prozeduren verzichten kann? Das Gegenteil ist der Fall. Fakt ist, dass es beides braucht. Aber Prozeduren sollten nicht um der Prozeduren Willen existieren. Genauso wenig sollten Richtlinien stumpf heruntergebetet werden. An dieser Stelle hilft es sich noch einmal zu vergewissern, was eigentlich Richtlinien oder Prozeduren sind: Sie sind im Grunde in Schriftform gegossene Erfahrungswerte. Nicht mehr und auch nicht weniger. Teilweise reichen diese Erfahrungen bis in die Anfänge der Eisenbahn zurück und wurden von unseren Ururgroßvätern aufgeschrieben. Aber leider entkoppeln sich im Laufe der Zeit die eingeführten Regeln bisweilen von ihrem Hintergrund und beginnen, ein Eigenleben zu führen. Da das menschliche Leben jedoch mehr als endlich ist, bedeutet dies, dass wir unsere Vorfahren nicht mehr direkt fragen können, warum sie eine bestimmte Regel so und nicht anders aufgestellt haben. Aber der Umstand, dass wir unsere Ahnen los sind, bedeutet nicht, dass wir ahnungslos sind. Denn wenn man sich mit offenen Augen in unserem Sektor umschaut, wird man auf viele Wissensträger treffen, die einem selbst eine Menge Hintergrundinformationen geben können. Aber das steht unter einer Voraussetzung: Man muss sich trauen, zu fragen! Bereits in der Sesamstraße lernen Kinder folgenden Liedtext: Der, die, das, Wer, wie, was. Wieso weshalb warum? Wer nicht fragt bleibt dumm. 1000 tolle Sachen die gibt es überall zu sehen, Manchmal muss man fragen um sie zu verstehen. Dieses Motto aus der Sesamstraße sollten auch wir uns immer wieder zu Herzen nehmen. Seien wir ehrlich zu uns selbst, wenn wir unsicher sind und mal etwas nicht wissen. Seien wir uns gewiss, dass wir uns keine Zacken aus der Krone brechen, wenn wir auch seit langem eingeführte Prozeduren immer mal wieder auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragen. Und vor allem: Verlernen wir nicht, Fragen zu stellen – so wie mein Sohn mich immer wieder mit Fragen rund um die Eisenbahn löchert und dabei für sein Alter schon eine ganze Menge Wissen aufgesaugt hat. Dr. Felix Dschung Consultant Bahntechnik, Furrer+Frey AG eb-Beiratsmitglied FFoto: Privat. eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

398 Inhalt 121 (2023) Heft 11-12 Standpunkt Dr. F. Dschung Wieso, weshalb, warum? 397 Fokus Adieu Scherbius-Umformer 400 5. ÖVG-Kongress Fahrstromanlagen 405 Fachwissen A. Fechner, O. Körner, K. Pöhnisch, V. Wehrmeister, R. Weinmann Hocheffizientes Antriebssystem auf begrenztem Raum für die Londoner Deep Tube Metro 412 Highly efficient propulsion system in a limited space for the London Deep Tube Metro Système de propulsion très efficace dans un espace limité pour le London Deep Tube métro W. Sturzeis Stahlsonderkonstruktionen bei Oberleitungsanlagen der ÖBB nach EN50119 422 Special steel constructions for ÖBB overhead line systems in accordance with EN 50119 Constructions en acier spéciales pour les systèmes de lignes aériennes ÖBB selon EN 50119 T. Pedersen, R Puschmann Nachspannvorrichtungen im Follo Line-Tunnel – Konstruktions- und Planungsfehler 430 Tensioning devices in the Follo Line tunnel – construction and planning errors Dispositifs de tension dans le tunnel de la ligne Follo – erreurs de construction et de planification 11-12 / 2023 eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

Praxiswissen M. Büchler 100 Jahre Streustromschutz: Ein Rückblick über den Werdegang der SGK 440 100 years of stray current protection: A review of the history of the Swiss Society for Corrosion Protection 100 ans de protection contre les courants vagabonds : une rétrospective sur l’évolution de la Société Suisse de Protection contre la Corrosion Historie Einiges über vagabundierende Ströme 446 Blickpunkt 451 Journal 452 Impressum 460 Termine U3 DAS E-TEAM Jetzt bewerben als Ingenieur Elektrotechnik (m/w/d) www.rps.jobs Lisa Albrecht PRODUKTMANAGERIN Stefan Ebhart LEITER SYSTEMDESIGN MIT VIEL HERTZ UND VOLLER POWER IM EINSATZ RAIL POWER SYSTEMS PRÄSENTIERT EINE WITH US TOMORROW PRODUKTION BEWIRB DICH JETZT BEI UNS DEM FÜHRENDEN SYSTEMANBIETER FÜR BAHNELEKTRIFIZIERUNG IN ZUSAMMENARBEIT MIT UNSEREM JOB-PORTAL WWW.RPS.JOBS REGIE DEINE KARRIERE BASIERT AUF DEN WAHREN GEGEBENHEITEN VON ÜBER 130 JAHREN ERFAHRUNG IDEE KLIMASCHONENDE STROMVERSORGUNG FÜR DIE BAHN eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

400 Fokus 121 (2023) Heft 11-12 Adieu Scherbius-Umformer Frequenzumformerwerke ermöglichen den Energieaustausch zwischen dem dreiphasigen, mit 50 Hz betriebenen Landesnetz und dem einphasigen, mit reduzierter Frequenz betriebenen Bahnstromnetz. Für den Austausch von Blindleistung und um die großen Frequenzabweichungen des Bahnnetzes zu beherrschen, zeigten sich rotierende Umformer mit einer Scherbiusmaschine als besonders geeignet. Heute verschwinden die letzten dieser Maschinen. Einleitung Im Frühling 2023 wurden im Frequenzumformerwerk Rupperswil der SBB Energie die beiden letzten Umformer außer Betrieb genommen, deren Leistungsregulierung noch mithilfe von sogenannten Scherbius-Maschinen erfolgte. Damit verabschiedet sich eine Technik, welche während etwa neun Jahrzehnten einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Versorgung der 16,7-Hz-Bahnen geleistet hat. Aus diesem Anlass wird hier ein kurzer technischhistorischer Rückblick gegeben. Das Umformerwerk Rupperswil verfügte über zwei rotierende Umformer von je 37,5MVA (Bilder 1 bis 3), welche aktuell durch statische Umrichter ersetzt werden. In Rupperswil waren nur noch die Haupt-Scherbius-Maschinen in Betrieb, die weiteren Hilfsmaschinen waren bereits durch leistungselektronische Geräte ersetzt. Aus diesem Grund stammt nur ein Teil der gezeigten Fotos aus Rupperswil; die übrigen stammen aus dem Wasserkraftwerk Mühleberg der Bernischen Kraftwerke (BKW), wo noch eine vollständig elektromechanische, wenn auch seit Jahren stillgelegte 8,5-MVA-Anlage steht. Hintergrund Frequenzumformerwerke dienen dem Austausch von Energie zwischen dem mit 50Hz betriebenen Landesnetz und einem mit Sonderfrequenz betriebenen Netz der Bahnenergieversorgung, dabei kann die Energie in beide Richtungen übertragen werden. Bereits im Übereinkommen betreffend die Ausführung elektrischer Zugförderung zwischen den preussischhessischen, bayerischen und badischen Staatsbahnen von 1912, welchem sich kurze Zeit später auch Österreich, Schweden, Norwegen und die Schweiz angeschlossen hatten, wurde mit 162/ 3 Hz für das Bahnnetz eine Frequenz gewählt, welche exakt einem Drittel von 50Hz entspricht. Bei ganzzahligen Frequenz-Teilungsverhältnissen kann die EnergieÜbertragung vom einen ins andere Netz durch die Anordnung von zwei Synchronmaschinen auf derselben Welle erfolgen. Das Verhältnis der Polzahlen der beiden Maschinen muss gleich sein wie das Verhältnis der beiden Frequenzen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde allerdings nicht von Anfang an von Netzkupplungen Gebrauch gemacht, sondern es entstanden zunächst bahneigene Kraftwerke mit 162/ 3 Hz-Generatoren und ein eigenes Übertragungsnetz für Bahnstrom (sogenannte zentrale Bahnstromversorgung). Die Bahnen mussten und müssen somit ihre Netzfrequenz selbst regeln. Wegen der im Vergleich zum Landesnetz sehr hohen Lastdynamik ist dies nur unter Inkaufnahme höherer Schwankungen der Frequenz möglich. Aktuell sind im Bahnstrom-Verbundnetz zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz Abweichungen der Frequenz von - 3% bis +2% zulässig (EN50163), während im europäischen 50-Hz-Verbundnetz nur ±0,4% zugelassen sind. Somit ist das Frequenzverhältnis der beiden Netze nicht konstant ein Drittel, sondern es kann zwischen 0,323 und 0,342 variieren. Weil dies immer noch nahe bei einem Drittel ist, braucht es nach wie vor auch ein Verhältnis von eins zu drei der Polzahlen der beiden Maschinen, zusätzlich muss aber zwingend ein Schlupf, eine sogenannte Frequenzelastizität, möglich sein. Die Notwendigkeit der Frequenzelastizität setzt voraus, dass eine der beiden mechanisch gekuppelten Maschinen, in der Regel die 50-Hz-seitige, eine AsynchronBild 1: Maschinenhalle im Frequenzumformerwerk Rupperswil mit den beiden Umformergruppen; lila die bahnseitigen Synchronmaschinen, im Vordergrund die Erregermaschine zur Synchronmaschine der vorderen Gruppe (alle Fotos: Martin Aeberhard). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

405 Fokus 121 (2023) Heft 11-12 5. ÖVG-Kongress Fahrstromanlagen Die Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (ÖVG) und die ÖBB-Infrastruktur AG haben zum fünften Mal zum Kongress Fahrstromanlagen am 16. und 17. November 2023 nach Wien in das Technische Museum eingeladen. Am Kongress nahmen 179 Fachleute der Bahnenergieversorgung aus sieben Ländern teil. Schwerpunkte waren die Elektrifizierung von Bahnstrecken, Oberleitungssysteme unter besonderer Berücksichtigung von Prozessen, Regulatorien, Normen, Bauteilen und Komponenten sowie der Neu-, Aus- und Umbau von ÖBB-Projekten. Durch den zweitägigen Kongress führten gemeinsam Gudrun Polzhofer-Girstmair und Franz Kurzweil von der ÖBB-Infrastruktur AG (Bild 1). Insgesamt wurden 20 Vorträge von 27 Referenten gehalten (Bild 2). Den Eröffnungsvortrag hielt Judith Engel, Vorständin für Netzausbau und Infrastrukturbereitstellung bei der ÖBB-Infrastruktur AG, über neue Wege in der Planung, Errichtung und Instandhaltung der Fahrstrominfrastruktur. Die Leistungsfähigkeit des Systems Bahn soll in Österreich bis 2040 verdoppelt werden. 60% sollen durch Verbesserungen der Infrastruktur kommen, 40% durch Optimierung bei Fahrzeugen. Die Bundesregierung Österreichs hat 21,1Mrd. EUR für die Mobilitätswende in den Rahmenplan 2024 bis 2029 zur Verfügung gestellt. Bis 2030 soll die vollständige Dekarbonisierung des Bahnverkehrs strecken- und fahrzeugseitig vollzogen sein. Das bedeutet die weitere Elektrifizierung von Bahnstrecken mit über 600 km Länge in diesem Zeitraum. In der Umsetzungsstrategie ist der Fokus auch auf die optimale Nutzung von elektrischer Leistung aus erneuerbarer Energie unter anderem durch Einspeisung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in die Oberleitung, Umrüstung von Gas-Weichenheizanlagen auf elektrische Energieversorgung und die Reduktion des Energiebedarfs durch Umstellung auf LED-Leuchtmittel auf Bahnhöfen und in Tunnel gerichtet. Franz Kurzweil ergänzte den Eröffnungsvortrag mit konkreten Wegen in der Planung, Errichtung und Instandhaltung der Oberleitungsanlagen. Dazu gehört die konstruktive Entwicklung von instandhaltungs- und störungsarmen Oberleitungsbauarten, wovon bereits 79% im Streckennetz installiert sind. Die Anlagenbewirtschaftung erfolgt über LCC-optimierte Maßnahmen und die Einhaltung eines strategischen Erneuerungsbedarfs der Oberleitung. Alle bei der ÖBB-infrastruktur AG eingesetzten Oberleitungsbauarten sind nach der TSI Energie zertifiziert. Zukünftig gewinnt der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) in der Planung und Projektierung bei Errichtung, Montage und Bau von Oberleitungsanlagen immer größere Bedeutung. Dr. Michael Bernhardt vom Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) stellte kurz die Geschichte der Deutschen Bahn AG von der Privatisierung über den Börsengang bis zur Gegenwart mit den damit verbundenen Sparprogrammen und Umstrukturierungen vor. Mit den EU-Vorgaben zur Klimaneutralität steht Deutschland vor den Herausforderungen, nicht nur das Schienennetz umfangreich, sondern auch die Transportkapazitäten durch Verlagerung von der Straße auf die Schiene drastisch zu erhöhen und den Umstieg auf erneuerbare Energie zu realisieren. Der heutige Elektrifizierungsgrad des DB-Streckennetzes beträgt 61,7%. Bis 2040 soll Klimaneutralität mit 75% Elektrifizierung des Netzes und 25% Betrieb mit alternativen Antrieben erreicht werden. Das bedeutet einen Neubau von 4451 Streckenkilometer Oberleitungsanlagen. Bis 2040 ist aber auch Bild 1: Die Moderatoren Gudrun Polzhofer-Girstmair und Franz Kurzweil von der ÖBB-Infrastruktur AG (alle Fotos: Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

412 Fachwissen Fahrzeuge 121 (2023) Heft 11-12 Hocheffizientes Antriebssystem auf begrenztem Raum für die Londoner Deep Tube Metro Axel Fechner, Graz (AT); Olaf Körner, Nürnberg; Kai Pöhnisch, Erlangen; Volker Wehrmeister, Nürnberg; Rainer Weinmann, Wien (AT) Ausschlaggebend für die Entwicklung der neuen Züge und des neuen Antriebssystems für die Londoner U-Bahn waren die hohen Anforderungen des Kunden an Zuverlässigkeit und Energieeffizienz sowie die engen Platzverhältnisse in den tiefen U-Bahn-Tunnels. Das umfassende und ausgefeilte Bewertungsmodell des Kunden berücksichtigte die Parameter: Energiebedarf für Traktion und Hilfsbetriebe, die Journey Time sowie die Gleisschädigung. Die die Entwicklung des Antriebssystems prägenden Randbedingungen des Londoner U-Bahnnetzes und das Bewertungsmodell werden einleitend beschrieben. Der Beitrag stellt im Anschluss die Komponenten des Antriebssystems und des Bordnetzes vor: den kompakten zwangsgekühlten Traktionsstromrichter mit angebautem Bremswiderstand, die hochintegrierte und im Drehgestell elastisch aufgehängte Antriebseinheit mit permanentmagneterregter Synchronmaschine in Verbindung mit Getriebe und elastischer Radsatzkupplung sowie den Hilfsbetriebeumrichter in SiC (Siliziumkarbid)-Technologie. Highly efficient propulsion system in a limited space for the London Deep Tube Metro The customer’s high requirements on reliability and energy efficiency as well as the tight space conditions in the deep underground tunnels were decisive factors in the development of the new trains and the new drive system for the London Underground. The customer’s comprehensive and sophisticated evaluation model took into account the parameters of energy consumption for traction and auxiliary operations, journey time and track damage. The defining boundary conditions of the London Underground network and the evaluation model on which the development of the drive system is based are described in the introduction. The article then presents the components of the propulsion system and the on-board network: the compact, force-cooled traction converter with attached brake resistor, the highly integrated drive unit with permanent magnet synchronous machine and elastic suspension in the bogie in conjunction with gearbox and elastic wheelset coupling as well as the auxiliary converter in SiC (silicon carbide) technology. Système de propulsion très efficace dans un espace limité pour le London Deep Tube métro Les exigences élevées du client en matière de fiabilité et d’efficacité énergétique ainsi que les conditions d’espace restreintes dans les tunnels souterrains profonds ont été des facteurs décisifs dans le développement des nouvelles rames et du nouveau système d’entraînement du métro de Londres. Le modèle d’évaluation complet et sophistiqué du client a pris en compte les paramètres de consommation d’énergie pour les opérations de traction et auxiliaires, la durée du trajet et les dommages aux voies. Les conditions limites déterminantes du réseau de métro de Londres et le modèle d’évaluation sur lequel repose le développement du système d’entraînement sont décrits dans l’introduction. L’article présente ensuite les composants du système de propulsion et du réseau de bord: le convertisseur de traction compact à refroidissement forcé avec résistance de freinage fixée, l’unité d’entraînement hautement intégrée avec machine synchrone à aimant permanent et suspension élastique dans le bogie en liaison avec la boîte de vitesses. et l’attelage élastique des essieux ainsi que le convertisseur auxiliaire en technologie SiC (carbure de silicium). 1 Einleitung Die Entwicklung der neuen Fahrzeuge und des Antriebssystems für London Underground war getrieben von den hohen Anforderungen des Kunden nach Zuverlässigkeit und Energieeffizienz sowie den engen Platzverhältnissen – gehören die Deep TubeTunnels doch zu den kleinsten und engsten in Europa (Bilder 1 und 2). Auch die Tatsache, dass sich die Tunnel-Erwärmung in den letzten Jahrzehnten langsam, aber stetig nach oben entwickelt hat, macht die Anforde- eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

422 Fachwissen Fahrleitung 121 (2023) Heft 11-12 Stahlsonderkonstruktionen bei Oberleitungsanlagen der ÖBB nach EN50119 Wolfgang Sturzeis, Wien (AT) Stahlsonderkonstruktionen von Oberleitungsanlagen sind in bestimmten Ausführungsprojekten unumgänglich. Diese notwendigen Sonderausführungen entsprechen nicht den systemtechnischen Festlegungen des innerbetrieblichen Regelwerks der ÖBB-Infrastruktur AG. Um den damit verbundenen zusätzlichen technischen, technologischen und materiellen Mehraufwand in der Planung, Montage und Instandhaltung/Entstörung zu reduzieren, wird geprüft, inwieweit für Sonderkonstruktionen systemtechnische Vorgaben möglich sind. Special steel constructions for ÖBB overhead line systems in accordance with EN 50119 Special steel constructions of overhead line systems are essential in certain implementation projects. These necessary special versions do not correspond to the system-technical specifications of the internal regulations of ÖBB-Infrastruktur AG. In order to reduce the associated additional technical, technological and material effort in planning, assembly and maintenance/troubleshooting, the extent to which system-technical specifications are possible for special designs is examined. Constructions en acier spéciales pour les systèmes de lignes aériennes ÖBB selon EN 50119 Des constructions en acier spéciales pour les systèmes de lignes aériennes sont essentielles dans certains projets de mise en œuvre. Ces versions spéciales nécessaires ne correspondent pas aux spécifications techniques du système du règlement intérieur de ÖBB-Infrastruktur AG. Dans le but de simplifier ou réduire les contraintes supplémentaires techniques, technologiques et matérielles liées à la planification, au montage et à la maintenance/dépannage, la mesure dans laquelle les spécifications techniques du système sont possibles pour des conceptions spéciales est examinée. 1 Einführung Das System der Oberleitungsanlagen ist bei der ÖBB-Infrastruktur AG über die entsprechenden innerbetrieblichen Regelwerke klar definiert. Das bezieht sich sowohl auf die Planung als auch damit verbunden auf die Ausführung der Oberleitungsanlage unter Beachtung der zu verwendeten Materialien und Komponenten, was sich in weiterer Folge positiv auf die Instandhaltung sowie die damit verbundene Menge des vorzuhaltenden Instandhaltungsmaterials auswirkt. Diese Vorgehensweise kann sowohl positiv als auch negativ gesehen werden. Für das System der Oberleitungsanlagen bei der ÖBB-Infrastruktur AG sprechen jedoch die folgenden Themenstellungen positiv dafür: • einheitliches System in ganz Österreich für die ÖBB-Infrastruktur AG • Anzahl beziehungsweise Volumen der benötigten Komponenten • Planungstechnische Sicherheit • Reduktion von wirtschaftlichen Aufwänden, geringere Kapitalbindungen Ein Punkt, welcher als negativ betrachtet werden könnte ist, dass eine Systemvorgabe für den gesamten Bereich der ÖBB-Infrastruktur AG anzuwenden ist. Da das System der Oberleitungsanlagen bei der ÖBB-Infrastruktur AG strikt reglementiert ist, bedeutet dies, dass die Vorgaben im Osten von Österreich genau so funktionieren müssen wie im Westen. Man ermöglicht damit jedoch unter Beachtung der Anzahl der Komponenten und Materialien eine wirtschaftliche Reduktion des Gesamtaufwandes im Rahmen von Investitionen auf Grund der größeren Stückzahlen von einheitlichen Komponenten. Bezogen auf die Instandhaltung ermöglicht man durch eine Systemdefinition, dass die benötigte Lagerhaltung für Störungsmaterial reduziert werden kann, da man nicht für unterschiedlichste Typen Material vorhalten muss. Darüber hinaus ermöglicht dies den Instandhaltungszentren (ASC – Anlagen- und Service Center der ÖBB-Infrastruktur AG), im Rahmen von großen Störungen Material und auch Personal schnell und zielführend über ihre Instandhaltungsgrenzen hinaus zur Verfügung stellen zu können. Vor allem die Qualifizierung des Personals ist hierbei von eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

430 Fachwissen Fahrleitung 121 (2023) Heft 11-12 Nachspannvorrichtungen im Follo Line-Tunnel – Konstruktions- und Planungsfehler Thorleif Pedersen, Oslo (NO); Rainer Puschmann, Igensdorf Es mehren sich Oberleitungsstörungen durch Seilrisse an Nachspanneinrichtungen bei Bahninfrastrukturbetreibern. Die Ursachen liegen einerseits in der Wahl und andererseits in der Konstruktion der Nachspannvorrichtung für die Anwendung im Tunnel. Kenntnisse über den Aufbau von Nachspannvorrichtungen und deren Wirkungsweise, über die Berechnung der Lebensdauer und die Prüfung von Seilen an Nachspannvorrichtungen sind für die Ursachenforschung zwingend erforderlich. Der Vergleich von Nachspannvorrichtungen mit Seilen liefert Hinweise für die Planung von Nachspanneinrichtungen im Tunnel. Die Umsetzung dieser Erfahrungen beugt Seilbrüchen vor und erhöht die Verfügbarkeit von Oberleitungsanlagen. Tensioning devices in the Follo Line tunnel – construction and planning errors There is an increasing number of overhead line disruptions due to cable breaks on tensioning devices at railway infrastructure operators. The reasons lie on the one hand in the choice and on the other hand in the design of the tensioning device for use in tunnels. Knowledge about the structure of tensioning devices and how they work, about the calculation of the service life and the testing of ropes on tensioning devices are essential for researching the cause. The comparison of tensioning devices with ropes provides information for planning tensioning devices in tunnels. Implementing these experiences prevents cable breaks and increases the availability of overhead line systems. Dispositifs de tension dans le tunnel de la ligne Follo – erreurs de construction et de planification Chez les exploitants d'infrastructures ferroviaires, les perturbations des lignes aériennes dues à des ruptures de câbles sur les dispositifs de tension sont de plus en plus nombreuses. Les raisons résident d'une part dans le choix et d'autre part dans la conception du dispositif de tension destiné à être utilisé dans les tunnels. Pour en rechercher la cause, il est essentiel de connaître la structure des dispositifs de tension et leur fonctionnement, le calcul de la durée de vie et le test des câbles sur les dispositifs de tension. La comparaison des dispositifs de tension avec les câbles fournit des informations pour la planification des dispositifs de tension dans les tunnels. La mise en œuvre de ces expériences évite les ruptures de câbles et augmente la disponibilité des systèmes de lignes aériennes. 1 Einleitung Bane Nor, der norwegische Bahninfrastrukturbetreiber, nahm 2022 den Follo Line-Tunnel in Betrieb. Durch gravierende Baumängel musste der Tunnel eine Woche nach der Einweihung wieder außer Betrieb gehen. Die meisten Mängel hat Bane Nor zwischenzeitlich selbst behoben. Ein wesentlicher Mangel besteht noch. Das ist die vom Planer gewählte 1 : 1-Nachspannvorrichtungen mit Edelstahlseil. Aus Oberleitungsstörungen infolge von Seilbrüchen an Nachspannvorrichtungen bei Bahninfrastrukturbetreibern ist bekannt, dass sich Edelstahlseile für Nachspannvorrichtungen wegen der kurzen Lebensdauer zwischen sieben und zwölf Jahren in Abhängigkeit von der Seilkraft nicht eignen. Die Ablegereife als der Zeitpunkt des Seilwechsels an Nachspannvorrichtungen sollte mindestens 100 Jahre betragen. 2 Aufbau von Nachspannvorrichtungen im Tunnel Die Nachspannvorrichtungen halten in Abhängigkeit von ihren Wirkungsgrad die Zugkraft in den Drähten und Seilen des Kettenwerks nahezu konstant. Dadurch sind die Fahrdrahthöhe und das Zusammenwirken von Oberleitung und Stromabnehmer gleichbleibend und unabhängig von der Temperatur der Seile und Drähte. Die vertikal wirkende Gewichtskraft lenkt Umlenkrollen in eine horizontal wirkende Zugkraft in das Kettenwerk um. Bei der 1 : 1-Nachspannvorrichtung übertragen die Seile die Gewichtskraft direkt in das Kettenwerk. Bei der 3 : 1-Nachspannvorrichtung übersetzt das Radspannerrad die Gewichtskraft im Verhältnis 3 : 1. Jede Bauart der Nachspannvorrichtung hat somit eine eigene Belastung der Seile. Typische Übersetzungen eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

440 Praxiswissen Erdung und Rückleitung 121 (2023) Heft 11-12 100 Jahre Streustromschutz: Ein Rückblick über denWerdegang der SGK Markus Büchler, Zürich (CH) Als Folge der Elektrifizierung von Bahnstrecken in der Schweiz kam es wiederholt zu Schäden an Infrastrukturanlagen aufgrund von Gleichstrombeeinflussung. Mit der Gründung der Korrosionskommission im Jahr 1923 wurde in der Schweiz eine neutrale und unabhängige Stelle für die Bearbeitung von Streustromproblemen und die Kontrolle von Gleichstrombahnen geschaffen. Deren Werdegang wird im vorliegenden Artikel beschrieben. 100 years of stray current protection: A review of the history of the Swiss Society for Corrosion Protection As a result of the electrification of railway lines in Switzerland, there was repeated damage to infrastructure installations due to direct current interference. With the founding of the Corrosion Commission in 1923, a neutral and independent body was created in Switzerland to deal with stray current problems and the inspection of DC railways. Its evolution is described in the present article. 100 ans de protection contre les courants vagabonds : une rétrospective sur l’évolution de la Société Suisse de Protection contre la Corrosion Suite à l’électrification des lignes de chemin de fer en Suisse, des dommages ont été causés à plusieurs reprises aux installations d’infrastructure en raison de l’influence du courant continu. Avec la création de la Commission de corrosion en 1923, un organisme neutre et indépendant a été créé en Suisse pour traiter les problèmes de courant vagabond et contrôler les chemins de fer à courant continu. L’évolution est décrite dans le présent article. 1 Elektrifizierung der Bahnen Im Jahr 1888 nahm mit der Tramlinie Vevey – Montreux – Chillon die erste elektrifizierte Bahn der Schweiz mit DC 600V den Betrieb auf. Darauf folgten 1900 die ersten Kilometer der elektrifizierten Strecke von Aigle-Leysin mit DC 1500V, und 1901 ging der erste Streckenabschnitt der Montreux Berner Oberlandbahn (MOB) von Montreux bis zur Ortschaft Les Avants in Betrieb. Weitere Bahnen folgten, wie die Elektrifizierung der Berninabahn (Bild 1) oder der ESB (Bild 2). Die Elektrifizierung der Bahnen verminderte nicht nur die Abhängigkeit von Kohle aus dem Ausland, sondern stärkte auch die schweizerische elektrotechnische Industrie (Bild 3). Es ist also wenig überraschend, dass eine ganze Reihe von Bahnen und auch Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für Korrosionsschutz (SGK) aus dem elektrotechnischen Bereich in diesen Jahren ebenfalls das 100-jährige Bestehen feiern. Dieser technische Fortschritt und der Betrieb der Gleichstrombahnen blieben aber nicht ohne Folgen für Drittstrukturen: Die Traktionsströme führten zu starken korrosiven BeeinBild 1: Elektrifizierung der ersten Streckenabschnitte der Berninabahn um 1908 (Grafik: https://de.wikipedia. org/wiki/Berninabahn). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

446 Historie 121 (2023) Heft 11-12 Einiges über vagabundierende Ströme Das Thema Streuströme beschäftigt die Bahningenieure ganz offensichtlich schon lange Zeit. Bereits vor über hundert Jahren hat man deren Auswirkungen beobachtet und Ursachen erforscht. Und ganz offensichtlich war man sich da auch nicht einer Meinung, wie die folgenden Reprints aus frühen ebAusgaben zeigen. Nicht nur der vorherige Bericht über das 100-jährige Jubiläum der Schweizerischen Gesellschaft für Korrosionsschutz (SGK) zeigt, dass das Thema Streustromkorrosion ernstzunehmend war. Gleichwohl war das anfänglich nicht in aller Deutlichkeit bekannt. In der VDE 0115 aus den 1930er Jahren steht in § 24 lediglich: „Elektrische Wirkungen auf Anlagen der Reichsbahn, wie Schienen, eiserne Brückenteile u. dgl., müssen auf jeden Fall vermieden werden.“ Zum damaligen Zeitpunkt gab es noch keine großen Wechselstrombahnnetze, aber Kleinbahnen, die mit Gleichstrom betrieben wurden. Folglich ahnte man etwas von der Wirkung vagabundierender Gleichströme. Heute ist die Sache klar. Die Ahnungen von damals sind heute der Gewissheit gewichen. Die Anforderungen gegen Streustromkorrosion verursacht von Gleichstrombahnen sind in der europäischen Normenreihe EN50122 formuliert. Die folgenden Reprints entstammen frühen Ausgaben der Zeitschrift Elektrische Bahnen: • Gaier, A.: Einiges über vagabundierende Ströme. In: Elektrische Bahnen 1930, H. 7, S. 229–231. • Wolff, C.: Streuströme. In: Elektrische Bahnen 1930, H. 11, S. 354–355, mit einem Schlusswort (Gegenrede) von Adam Gaier. eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

451 Historie 121 (2023) Heft 11-12 Blickpunkt Die Deutsche Bahn (DB) begann am 7. Dezember 2023 auf Fehmarn mit dem Bau der Schienenanbindung für die Feste Fehmarnbelt-Querung. Nach jahrelanger Planung startet der 88 km lange Aus- und Neubau der Bahnstrecke von Puttgarden bis Lübeck als Anbindung für den dänischen Belt-Tunnel in der Ostsee. Neben DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber (links im kleinen Bild) geben Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (2. von rechts), Susanne Henckel, Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2. von links) und Philippe Chantraine (rechts) als Vertreter der Europäischen Union das Startsignal für die Belt-Anbindung. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2029 geplant. Foto: Deutsche Bahn AG, Oliver Lang; Grafik: Deutsche Bahn AG / Rambøll

452 Journal 121 (2023) Heft 11-12 Bahnen Neue S-Bahn-Triebzüge für Berlin komplett Am 18. September 2023 wurde mit dem 106. Exemplar das letzte Fahrzeug der Baureihe (BR) 483/484 (Bild 1) feierlich ausgeliefert. Die seit Anfang 2021 in Betrieb genommenen Triebzüge mit insgesamt 18000 Sitzplätzen sind auf den Ringbahn-Linien S41/S42, der S8 einschließlich Verlängerung nach Wildau sowie den Linien S46 und S47 unterwegs und erbrachten 17Mio. km Laufleistung. Die Triebzüge der BR 483/484 sind Bestandteil des Verkehrsvertrages für das Teilnetz Ring und werden darüber durch die Länder Berlin und Brandenburg finanziert. Parallel führt die S-Bahn Berlin das Langlebigkeitsprogramm BR481 weiter. Mehr als 300 von 500 Fahrzeugen der BR481, die 1996 bis 2004 geliefert wurden, sind umgebaut worden. Die bis zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 in Reserve gehaltenen letzten Triebzüge der BR485 (Bild 2) werden endgültig ausgemustert. Seit 1987 wurden diese von der DR beschafften 166 Viertelzüge, auch „Cola-Dose” genannt, im Berliner S-Bahn-Netz eingesetzt. Rollout des Mireo Smart Im Werk Krefeld stellte am 22. November 2023 Siemens Moblility den dreiteiligen elektrischen Triebzug Mireo Smart vor. Analog dem Flugzeugbau ist es ein standardisiertes Fahrzeug für den Regionalverkehr auf Basis der Mireo-Typ-Familie. Es werden nur begrenzte Konfigurationen wie zum Beispiel die äußere Farbgestaltung mit Folien und die Farbe der Bezugsstoffe für die Sitze angeboten. Die einmalige Zulassung dieses Fahrzeugtyps erlaubt eine Serienfertigung mit Vorfertigung und bietet den Betreibern im Regional- und Commuterverkehr einen effizienten BeschaffungsproBild 1: Triebzug 485085 (Foto: Thomas Splittgerber). Bild 2: Die 485037 und 485023 im Jahre 2003 in ursprünglicher Farbgebung (Foto: Berliner S-Bahn/Andreas Graf). Seitenansicht des Mireo Smart (Grafik: Siemens). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

453 Journal 121 (2023) Heft 11-12 zess, der maximal 18 Monate von der Beauftragung bis zur Betriebsaufnahme benötigt. Der Verkaufsprozess erfolgt transparent und unkompliziert über ein Datenblatt mit festen Konditionen, was die Bestellung von Zügen erleichtert und die Anschaffungskosten dieser Fahrzeuge „von der Stange“ reduziert. Der dreiteilige Triebzug wird für 6,5Mio. EUR Listenpreis ab einem Exemplar angeboten. Ein Leasing und andere Vermietungen sind vom Hersteller aus nicht vorgesehen. Die Kunden können beim Kauf einen Servicevertrag mit einem Ersatzteil- und Instandhaltungspaket abschließen. Technische Daten sind der Tabelle zu entnehmen. Eine CO2-gesteuerte Klimaanlage für die Klimazone II, FIS-Monitore und Internet ergänzen die Ausstattung. Momentan beginnen die Zulassungsarbeiten, und der Triebzug ist ab dem 23. November 2023 sofort bestellbar. Der Beginn des kommerziellen Einsatzes der in Krefeld gefertigten Fahrzeuge ist für Januar 2025 vorgesehen. Die Produktpflege erfolgt in Jahresschritten. Nach zehn Jahren ist mit einer neuen Fahrzeuggeneration zu rechnen. Als Lebensdauer sind 30 Jahre vorgesehen, die mit einer Modernisierung um zehn Jahre verlängert werden kann. Siemens kündigte eine Ausweitung des Angebotes auf mit Wasserstoff und mit elektrischer Energie aus Akkumulatoren betriebenen Triebzügen an. Die Reichweiten mit diesen alternativen Antrieben sollen 1000 km und 120 km betragen. Akkumulator-Triebzüge für Niedersachsen Ab dem Jahr 2037 sollen in Niedersachsen auf den nichtelektrifizierten Strecken zwischen Ems und Elbe nur noch Züge fahren, die kein CO2 ausstoßen. Die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) wird ab dem Jahr 2029 sukzessive 102 neue Triebzüge mit Akkumulator-Technik einsetzen, die abgasfrei unterwegs sind und beginnen, die 126 Triebzüge der Dieselflotten ausmustern. LNVG bereitet die Vergabe vor, um die Fahrzeuge noch 2023 auszuschreiben. Die Investition für die Akkumulatoren-Triebwagen werden einen hohen dreistelligen Millionenbereich erreichen. Grundlage für den Kauf der Akkumulator-Fahrzeuge war eine Markterkundung zu alternativen Antrieben. Dabei wurden Züge mit Wasserstoff-Antrieb und Akkumulatoren betrachtet. Auch wenn bei den Eisenbahnen und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (evb) zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Buxtehude weltweit die ersten Wasserstofftriebzüge im Einsatz sind, entschied sich die LNVG für Triebzüge mit Akkumulatoren. Aus diversen Gründen sind die Akkumulator-Züge im Betrieb günstiger. Unter anderem brauchen keine Tankstelleninfrastruktur und Produktionsstandorte für grünen Wasserstoff errichtet zu werden. Weitere Forderungen an die neuen Züge sind Türen für zwei verschiedene Bahnsteighöhen und mehr Platz für Reisende und Fahrräder. Das erste Netz, in dem Dieselzüge ersetzt werden, ist ab 2029 das Heidekreuz mit den Linien RB37 Bremen – Soltau – Uelzen und RB38 Hamburg Harburg – Buchholz i. d. Nordheide – Soltau – Hannover. Im Teilnetz Weser-Ems will die LNVG die 108 km lange Strecke Osnabrück – Oldenburg bis 2034 komplett elektrifizieren. Das dient nicht nur dem Nahverkehr, sondern erhöht die Flexibilität des Gesamtsystems Eisenbahn bei Störungen. Zum Teilnetz Weser-Ems gehören Linien RE 18 Osnabrück – Oldenburg – Wilhelmshaven, RB58 Osnabrück – Vechta – Delmenhorst – Bremen und RB59 Wilhelmshaven – Sande – Esens. Auf dem Abschnitt Osnabrück – Bremen sollen Ladeinseln entstehen, um die 19 einzusetzenden Akkumulator-Fahrzeugen mit Elektroenergie zu versorgen. Dreiteiliger Triebzug Mireo Smart (Foto: Siemens). Tabelle Kenndaten des Mireo Smart. Hersteller Siemens Mobility Zugkonfiguration dreiteilig Radsatzfolge B0‘+2‘2‘+B0’ Länge über Kupplung mm 69 860 Fahrleitungsspannung 1AC 15 kV 16,7Hz Nennleistung kW 2 600 Zulässige Geschwindigkeit km/h 160 Radsatzfahrmasse maximal für Streckenklasse C350 nach EN 15528 t 20 Rad-Ø neu/abgenutzt mm 880/810 Kollisionstauglichkeit TSI und EN15528 konform Fremdeinspeisung V 3~AC 400 einseitig Mehrfachtraktion Anzahl bis zu 4 Triebzüge Zugsicherung PZB, ETCS Einstieghöhe mm 610 oder 800 Einstiegbereiche Anzahl 4 je Zug und Seite Einstiegbreite mm 1 300 Schiebetritt Anzahl 4 je Zug und Seite Sitzplätze 2. Klasse/1.Klasse Anzahl 202/14 Fahrradstellplätze Anzahl 21 Rollstuhlstellplätze Anzahl 2 WC nach TSI-PRM Anzahl 1 Universal-WC eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

454 Journal 121 (2023) Heft 11-12 Anschlussvertrag für Kalitransporte Am 26. Oktober 2023 unterzeichneten in Potsdam K+S (Kali und Salz) und DB Cargo einen Anschlussvertrag über den Transport von 70Mio. t Kalidüngemittel für die nächsten zehn Jahre. Der ursprünglich im Februar 2025 auslaufende Vertrag wurde vorzeitig erneuert. Mit jährlich 6Mio. t befördert DB Cargo derzeit 80% der Schienentransporte des Rohstoffkonzerns und übernimmt für K+S die Schienenlogistik an den Standorten Sehnde, Zielitz, Bernburg, Werra und Neuhof. Die meisten Gütermengen werden auf den Strecken Werra beziehungsweise Neuhof nach Hamburg und von Zielitz nach Hamburg transportiert. Der Vertrag beinhaltet auch eine Modernisierung und Erweiterung des Güterwagenparks. Ab Mitte 2025 wird DB Cargo insgesamt 650 neue Schüttgutwagen des Typs Tanoos beschaffen. Ausbaustrecke Nürnberg – Bamberg Der Eisenbahnausbau Nürnberg – Bamberg (VDE 8.1) umfasst die drei Einzelprojekte Ausbaustrecke Nürnberg – Bamberg, den Güterzugtunnel Fürth und den S-Bahn-Ausbau zwischen Nürnberg und Bamberg. Im Norden grenzt das Nachbarprojekt Bahnknoten Bamberg an. Alle diese Neu- und Ausbauprojekte sind Teil vom Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8). Die Deutsche Bahn arbeitet derzeit konzentriert am viergleisigen Ausbau des 24 km langen Streckenabschnittes zwischen Forchheim bis südlich von Bamberg. Im Jahr 2023 werden 16 Brücken, zwei S-Bahnhöfe, der Überholbahnhof Eggolsheim und drei Durchlässe mit 20 km neuem Gleis und 20 neuen Weichen fertiggestellt. Hinzu kommen die entsprechende Oberleitung und die Leit- und Sicherungstechnik. Mit einer dritten Informationsveranstaltung in Erlangen konnte die DB die Informationsreihe zur Güterzugstrecke Nürnberg – Eltersdorf abschließen. Diese beginnt hinter dem Nürnberger Rangierbahnhof südlich der Wallensteinstraße. Von dort verläuft sie zunächst oberirdisch und führt dann in einem 710m langen Trog zum 7,5 km langen Tunnelbauwerk, das südlich des Nürnberger Großmarktes bei der Rothenburger Straße beginnt. Zunächst folgt die Tunnelführung der oberirdischen Bahnstrecke in Richtung Fürth. Auf Höhe der Autobahn A73 unterquert der Tunnel die Pegnitz. In diesem Bereich erreicht er mit rund 30m seinen tiefsten Punkt. Danach verläuft der Tunnel knapp 4 km unterhalb der Autobahn A73 und steigt wieder kontinuierlich an. Südlich von Steinach kehrt er an die Oberfläche zurück. Es folgt erneut ein 550m langer Trog. Anschließend verläuft die Güterzugstrecke weiter parallel zur A73, bevor sie in Eltersdorf in die Ausbaustrecke in Richtung Bamberg mündet. Eine Elektrolokomotive der BR152 von DB Cargo vor einem Ganzzug mit Güterwagen Tanoos für den Kalitransport im Haunetal (Foto: DB/Wolfgang Klee). Eisenbahnausbau Nürnberg – Bamberg (Grafik: DB). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

455 Journal 121 (2023) Heft 11-12 Tunnel durch das Erzgebirge Als Vorzugsvariante für den Erzgebirgstunnel der Neubaustrecke Dresden – Prag stellte die DB den 30,4 km langen Volltunnel zwischen Heidenau und dem tschechischen Verkehrsknoten Ústí nad Labem in Heidenau vor. In den vergangenen zweieinhalb Jahren der Vorplanung untersuchten Fachleute in Abstimmung mit Umweltplanern und Vertreter der Region eine Teil- und eine Volltunnelvariante. Sowohl für die Umwelt als auch verkehrlich, technisch und wirtschaftlich ist die Volltunnelvariante ist beste Lösung. Teil der Neubaustrecke ist der Ausbau der Strecke Dresden – Heidenau. Es müssen 46 km Gleise, 90 Weichen, Leit- und Sicherungstechnik sowie Abstellanlagen für Züge neu gebaut werden. Im Januar 2024 beginnen die Bürgerdialoge in den Gemeinden. Hier können sich Anwohner über die Planung informieren und Hinweise für die Planung geben. Mitte des kommenden Jahres soll die Vorzugsvariante endgültig feststehen. Die DB reicht die Unterlagen anschließend zur parlamentarischen Befassung im Deutschen Bundestag ein. Die Parlamentarier entscheiden voraussichtlich noch bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode über Umsetzung und Finanzierung der Vorzugsvariante. Anschlussbahnen in Voralberg Mit jährlich 3Mio. Lkw-Ladungen rollen 90% aller Güter in Vorarlberg, Österreich, über die Straße. Der Modalanteil der Schiene ist viel zu gering, obwohl der Vorarlberg für den Schienengüterverkehr prädestiniert ist. Durch die starke Exportorientierung der Wirtschaft überwiegt in Vorarlberg der Quell- und Zielverkehr mit dem Ausland. Mobilitätslandesrat Daniel Zadra betont beim Treffen mit ÖBB-CEO Andreas Matthä: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir in einem Lkw-Transitland oder einem Bahnland leben wollen. Der Güterverkehr muss von der Straße auf die Schiene verlagert werden“. Ein wichtiger Anker für Transportverlagerung sind die Anschlussbahnen, so ÖBB-CEO Matthä. Neben dem ÖBBContainerterminal in Wolfurt und dem kleineren Bahnterminal in Bludenz bestehen in Vorarlberg 24 firmeneigene Anschlussbahnen mit Anschluss ans ÖBB- Netz und weitere sieben auf der Montafonerbahn. Für Kunden ohne eigenen Gleisanschluss stehen öffentliche Ladegleise und intermodale Terminals zur Verfügung. Errichtung und Betrieb einer Anschlussbahn fallen im Gegensatz zur Straßenerrichtung komplett in die Verantwortung des jeweiligen Unternehmens. Um die Attraktivität von Anschlussbahnen und öffentlichen Bahnen zu steigern, wollen ÖBB und Land Vorarlberg zunächst die Information und Beratung rund um Transportverlagerung für Unternehmen ausbauen. Dafür haben die ÖBB und das Land Vorarlberg die Funktion eines Güterverkehrskoordinators geschaffen. Mit 1700 Vollcontainerlager-Stellplätzen im unmittelbaren Kranbereich sowie 3500 Leercontainerlager-Stellplätzen ist der ÖBB-Güterterminal Wolfurt wichtigsNeubaustrecke Dresden – Prag (Grafik: DB). Bild 8 Containerumschlagplatz in Vorarlberg (Foto: ÖBB/Blum). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

456 Journal 121 (2023) Heft 11-12 ter Güterverkehrsknoten in Westösterreich. Im Jahr 2022 wurden 150000 ITE (Intermodale Transporteinheiten) umgeschlagen. Bis Ende 2029 wird die ÖBB in mehreren Etappen die Kapazität am Terminal Wolfurt verdoppeln und den Service flexibler und nachfrageorientiert gestalten. Für den Neubau, die Erweiterung und Reaktivierung von Anschlussbahnen besteht ein Förderprogramm des Bundes, mit dem bis zu 50% der Kosten gefördert werden. Abgewickelt wird das über die bundeseigene Schieneninfrastrukturgesellschaft (SCHIG). Der Beschlägehersteller Blum zum Beispiel versendet 35% seiner Produkte über die Schiene und will den Wert auf 50% steigern. Gemeinsam mit der Rhomberg Gruppe betreibt Blum die Anschlussbahn Stöcken in Dornbirn, über die im vergangenen Jahr beide Unternehmen 220000 t Waren weltweit versendeten. Zusätzlich bekommt Blum 60% der Stahllieferungen über den Terminal Wolfurt geliefert. Ziel ist ein Anteil von 90%. Bauarbeiten im Gotthard-Basistunnel im Plan Die SBB geht davon aus, dass der Gotthard-Basistunnel erst im Verlauf des Septembers 2024 wieder vollständig für Reise- und Güterzüge zur Verfügung steht. Die Entgleisung eines Güterzugs am 10. August 2023 hat wesentlich gravierendere Schäden verursacht als zunächst angenommen. Daher dauern die Reparaturarbeiten länger als ursprünglich erwartet. Die Absicht der SBB ist, ab dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 die Kapazitäten für den Güterverkehr unter der Woche zu erhöhen und für den Personenverkehr am Wochenende. Nach Abschluss der aufwändigen Bergungs- und Räumungsarbeiten konnte die SBB Ende Oktober mit den Bauarbeiten zur Wiederinstandsetzung der Weströhre des Gotthard-Basistunnels beginnen. In den ersten drei Wochen wurde die gesamte Fahrbahn im Bereich der beiden Schnellfahrweichen respektive Spurwechselbereichen bei der Multifunktionsstelle Faido herausgefräst. Außerdem wurden 200m provisorische Gleisjoche für den Einbau der Schnellfahrweichen, rund 5000m neue Schienen und rund 1500 Schwellenblöcke in den Tunnel transportiert und abgeladen. Danach begannen die Reparaturarbeiten an den Banketten bei der Multifunktionsstelle Faido. Täglich arbeiten bis zu 80 Mitarbeiter der SBB und von Drittfirmen im Tunnel unter erschwerten klimatischen Bedingungen an der Behebung der Schäden. Die Bauarbeiten werden von Norden Richtung Süden ausgeführt. Insgesamt muss die Fahrbahn auf 7 km Länge komplett erneuert sowie die Schienen, über 20000 Schwellenblöcke, das Spurwechseltor, zwei Schnellfahrweichen und zahlreiche weitere sicherheits- und betriebsrelevante Anlagenteile ersetzt werden. Durchgangsbahnhof Luzern Die SBB hat die Vorplanung für einen weiteren Bahnhof in Luzern vorgelegt. Unter den Bahnsteiggleisen acht bis 13 des jetzigen Kopfbahnhofs soll eine Halle mit vier Gleisen und zwei je 14m breiten Zwischenbahnsteigen entstehen. Die Weichenfelder sollen im Süden unter dem jetzigen und im Norden unter dem letzten Ausläufer des Vierwaldstättersees liegen. Sie sollen mit je einem mehrere Kilometer langen zweigleisigen Tunnel im Westen in bestehenden Betriebsstationen und im Osten im Bahnhof Ebikon mit den jetzigen Zulaufstrecken verknüpft werden. Beide Tunnel sollen paarweise in Richtung Zulauf orientierte Auslassbauwerke bekommen. Im nächsten Schritt muss das Bundesamt für Verkehr die Auslegungsplanung beauftragen. Man rechnet mit über 3Mrd. CHF Investitionen, sechs bis acht Jahren weiterer Planung und zehn bis 13 Jahren Bauzeit. Quelle: SER Pro Woche werden 300m Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel ausgefräst (Foto: SBB). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

457 Journal 121 (2023) Heft 11-12 Unternehmen 150 Jahre Eisenbahn-Sicherungstechnik aus Braunschweig Der Braunschweiger Standort von Siemens Mobility, der weltweit größte und älteste Fertigungs- und Entwicklungsstandort für Eisenbahnsignal- und Automatisierungs-Technologien, feierte am 23. November 2023 sein 150-jähriges Bestehen. Das vom Braunschweiger Kaufmann Max Jüdel und dem Maschinenbau-Ingenieur Heinrich Büssing 1873 gegründete Werk wurde in den folgenden Jahrzehnten schrittweise von Siemens übernommen. Siemens hat in den vergangenen fünf Jahren 60Mio. EUR in den Standort und die Produktion investiert. Im Braunschweiger Werk sind 4000 Mitarbeiter aus 46 Nationen beschäftigt. Davon arbeiten 1100 in der Produktion und Montage, 900 in den Bereichen Forschung und Entwicklung und 1500 in der globalen Projektabwicklung. Im Geschäftsjahr 2023 wurden 130 neue Mitarbeiter eingestellt, und 54 Jugendliche begannen ihre Ausbildung. In den ersten 20 Jahren des Bestehens wurden 90 Patente angemeldet und mehr als 1000 Stellwerke gebaut, die über 12000 Weichen und Signale steuerten. Seit jeher prägen Innovationen aus Braunschweig die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland und weltweit. Zu den bedeutenden Nachkriegsentwicklungen zählte der Abschied von der mechanischen, vielfach mit Muskelkraft betriebenen Stellwerkstechnik zugunsten elektromechanischer Lösungen. Das legendäre Signalrelais K50 ist die Basis der Relaisstellwerke, die der erste Schritt zur Automatisierung des Bahnverkehrs vor dem Computerzeitalter waren. Da aktuell 50% Relaisstellwerke im deutschen Schienennetz im Einsatz sind, ist deshalb nach wie vor Fertigungskompetenz für das Relais K50 als Ersatzteil in Braunschweig angesiedelt. Siemens brachte 2018 das europaweit erste digitale Stellwerk auf den Markt und vier Jahre später die Verlagerung der Stellwerkslogik in die Cloud. Die von Siemens Mobility entwickelte, patentierte DS3-Plattform steuert per Maus-Click aus der Cloud heraus Weichen und Signale. Das Stellwerk der Zukunft ermöglicht eine zentralisierte Leit- und Sicherheitstechnik für den Bahnbetrieb und ist in Österreich und Spanien im Einsatz. Es setzt auf Prozessoren mit hoher Leistungsfähigkeit und kann zentral aus einem Stellwerk statt von vielen einzelnen Örtlichkeiten gesteuert werden. Der Einsatz von Standard-Hardware erleichtert die Instandsetzung, was die Betriebskosten senkt. Elektromobilität im Straßenverkehr Feldversuche Oberleitungs-Lkw Unter Leitung des Fraunhofer ISI (Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe) begleitete das BOLD-Projekt (Begleitforschung Oberleitungs-Lkw in Deutschland) drei Feldversuche und zwölf weitere Forschungsprojekte zu elektrischen Oberleitungs-Lkw. Darin analysierten das ifeu-Institut für Energie und Umweltforschung, das Öko-Institut und das Fraunhofer ISI gemeinsam die Technologieakzeptanz, Chancen und Hindernisse für die Industrie sowie das politische Umfeld. Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanzierten Projekt wurden klima- und umweltbezogene Auswirkungen der Oberleitungstechnologie untersucht. Der Abschlussbericht fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Projekte zusammen und bewertet das Potenzial zur Einführung der Technologie. Erforscht wurden darin rechtliche Aspekte, die Energiebereitstellung und das Marktpotenzial der Oberleitungstechnologie. Darüber hinaus wurden im Rahmen von BOLD alle beteiligten Partner aus den verschiedenen Projekten zusammengebracht, um gemeinsam über die Erkenntnisse zu diskutieren. Ein erstes Ergebnis ist, dass einige Stakeholder im Energie- und Verkehrssektor offen für Oberleitungs-Lkw und mit der Technologie zufrieden sind. Dies gilt auch für einige Lkw-Hersteller wie Scania, die eine positive Einstellung gegenüber der Technologie haben und die Fahrzeuge für Feldversuche in Schweden und Deutschland zur Verfügung stellten. Andere wie Daimler Truck sind kritischer, während die Mehrheit der Lkw-Anbieter unentschlossen ist. Das Projekt hat auch einen allgemeinen Wissensmangel und irreführende Monostabiles Relais K50 (Foto: Siemens). eb 11-12 2023 ePaper Abonnement 2023 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjY3NTk=