Mobilität als Herausforderung und Chance im 21. Jahrhundert (eb 6 | 2021)
Der öffentliche Verkehr musste zwar im ver gangenen Jahr deutliche Einbußen hinnehmen, dennoch bleibt er das Rückgrat der Mobilität und spielt bei der Einhaltung der globalen Klimaschutzziele eine entscheidende Rolle. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind dabei unabdingbar, um für Reisende nachhaltig attraktiv zu bleiben. In einem so umfangreichen Netz wie dem des öffentlichen Verkehrs kann das nur erreicht werden, wenn jede einzelne Bewegung von Zügen oder sonstigen Verkehrsmitteln absolut störungsfrei erfolgt. Hier sind zunehmend Hilfsmittel der Automatisierung und Digitalisierung erforderlich.
Die Digitalisierung der Verkehrsunternehmen schreitet voran und kann die Leistungsfähigkeit bis hin zu einer hundertprozentigen Verfügbarkeit gewährleisten. Alle Technologien und Hilfsmittel sind bereits vorhanden, um flexibel und rasch auf die Herausforderungen von Störungen zu reagieren und zunehmend auch um solche vorausschauend zu verhindern.
Gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen werden wir diese Herausforderungen meistern und die Mobilitätsangebote noch stärker an die Kundenerwartungen anpassen. Reisende wollen nicht zahllose Apps und komplizierte Abrechnungen, um von A nach B zu kommen.
Pendler und gelegentliche Nutzer wünschen sich ein zuverlässiges Verkehrsmittel oder die aktuell sinnvollste Kombination von mehreren Angeboten, um schnell und preiswert ans Ziel zu kommen, am besten von Haus zu Haus. Sie möchten automatisch Informationen und neue Routen erhalten, wenn es irgendwo klemmt. Und sie wollen eine einfache Abrechnung der Fahrtkosten, ohne im Tarifwirrwarr versehentlich als Schwarzfahrer gebrandmarkt zu enden – einfach Einsteigen und Aussteigen und am Monatsende die jeweils günstigste Tarifkombination in Rechnung gestellt bekommen.
Das Ziel geht dahin, Mobility as a Service (MaaS) weiter auszubauen und alle Mobilitätsangebote zu verknüpfen. Der Fahrgast darf eine lückenlose Reisekette erwarten, die ihn über mehrere Verkehrsträger hinweg komfortabel ans Ziel bringt. Mit den vorhandenen Technologien lassen sich freie Plätze im Zug ermitteln, notfalls Mindestabstände garantieren und das Ein und Aussteigen beschleunigen. Die Betreiber der Verkehrsdienstleistungen müssen sich hierbei auf voll verfügbare Verkehrsmittel verlassen können.
Durch digitale Zwillinge kann jedes Fahrzeug in allen Details abgebildet werden, so dass Verschleiß und sich anbahnende Probleme frühzeitig erkannt und präventiv ausgeräumt werden. Diese vorausschauende Instandhaltung läuft vollautomatisch ab, weil die Daten der Fahrzeuge laufend erfasst, mit komplexen Algorithmen ausgewertet und in Wartungsempfehlungen münden. So sind Verfügbarkeiten bis zu 100 % realistisch erreichbar. Auch der betriebsfähige Zustand von Weichen, Signalanlagen und anderer Infrastruktur kann so gewährleistet werden. Jedes Fahrzeug hat gleichsam einen „Gesundheitspass“ zur Verfügung, aus dem erkennbar ist, wann sich ein Problem einstellen könnte. Rechtzeitig kann es ins Depot beordert werden, wo es bereits alle Werkzeuge und Ersatzteile für die Instandhaltung vorfindet und dieses innerhalb kürzester Zeit wieder verlassen kann.
Wie sich Betriebsabläufe automatisieren lassen wird im Projekt AStriD in Potsdam gerade erprobt. Hier wird an der vollautomatischen, fahrerlosen Abwicklung der täglichen DepotRoutinen entwickelt: Von der Übergabe der Tram am Tor über Reinigung, Auffüllen des Bremssands, Wäsche, Inspektion, bis zu Abstellen und Abrüsten. Umgekehrt kann die Straßenbahn selbstständig starten und betriebsbereit sein, wenn der Fahrer einsteigt.
Autonomes Fahren ist mehr als eine Vision, der wir näherkommen. Wie sich eine Tram völlig autonom im Straßenverkehr bewegt, wird mit Erfolg ebenfalls in Potsdam erprobt. Dabei kommen modifizierte Komponenten aus der Automobilindustrie zum Einsatz. Bis zur Serienreife und Zulassung fließen die gewonnenen Erkenntnisse in Assistenzsysteme ein, die den Fahrer unterstützen und zum Beispiel teure Auffahrunfälle vermeiden.
Automatisiertes Fahren ist bei geschlossenen Systemen wie Metros keine Ausnahme mehr. In der nächsten Stufe werden wir VollbahnFahrzeuge sehen, die zum Beispiel auf Nebenstrecken fahrerlos pendeln. Noch nie hatte das RadSchieneSystem so spannende Entwicklungsperspektiven wie heute.
Und wir sind dabei.
Devina Pasta
Head of Digitalization, Technology & Innovation